KPV-Info: schulische Ganztagsbildung und -betreuung

14.04.2025

Aufgrund der aktuellen Diskussion um die Förderrichtlinie zum Rechtsanspruch auf den schulischen Ganztag ab Beginn des Schuljahres 2026/2027 habe ich an die kommunalpolitischen Vertreter einen Info-Brief mit einem Überblick gesendet:

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztags-förderungsgesetz - GaFöG) regelt die stufenweise Einführung des bundesweiten Ganztagsanspruchs ab dem Schuljahr 2026/27. Ab August 2026 haben alle Kinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch auf ganztägige Bildung und Betreuung. In den Folgejahren wird der Anspruch auf die Klassenstufen 2 bis 4 erweitert, so dass ab dem Schuljahr 2029/30 allen Kindern der ersten bis vierten Klasse ein Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung zusteht. Der Rechtsanspruch wird im Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) - also im Rechtsbereich der Kinder- und Jugendhilfe - geregelt. Eine Pflicht, das Angebot in Anspruch zu nehmen, gibt es nicht.
In den Bundesländern gibt es zur Einführung des Rechtsanspruchs auf den schulischen Ganztag unterschiedliche Verfahrensstände. Im Folgenden möchte ich Ihnen einen Überblick zum Umsetzungsstand in Schleswig-Holstein geben.

I. finanzielle Unterstützung durch das Land
Vereinzelt wird von kommunaler Seite die Erwartung an das Land nach 100%iger Förderung auf dem Weg zur Bereitstellung eines rechtsanspruchserfüllenden Ganztags herangetragen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Regelungen des § 24 SGB VIII sich an die Jugendhilfeträger (Landkreise) und nicht an die Schulträger richten und es zudem einer landesrechtlichen Zuständigkeitsregelung bedürfe. Bei der Ganztagsbetreuung handelt es sich um ein freiwilliges Engagement der Schulträger.
An dem Prinzip der Freiwilligkeit der Einrichtung hat sich auch vor dem Hintergrund des vom Bundesgesetzgeber beschlossenen Ganztagsförderungsgesetzes vom 2. Oktober 2021 nichts geändert. Über die Einrichtung von rechtsanspruchserfüllenden schulischen Ganztags- und Betreuungsangeboten entscheidet der Schulträger.
Der Rechtsanspruch aus § 24 SGB VIII richtet sich entsprechend der seit langem bestehenden bundes- und landesrechtlichen Normen gegen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Eine neue landesrechtliche Zuständigkeitsregelung wurde bisher im Schulgesetz nicht geschaffen und es ist auch nicht beabsichtigt eine solche Regelung zu schaffen. Gründe, aus denen die landesrechtlichen Ausführungsnormen nicht zur Umsetzung ausreichen sollen, sind seitens der Landesregierung nicht ersichtlich. Die von der Landesregierung getroffene Einschätzung deckt sich mit der Herangehensweise anderer Bundesländer. Die Auffassung der Landesregierung stellt keine Einzelmeinung dar, sondern die Auffassung Schleswig-Holsteins wird vielmehr in allen Bundesländern so geteilt.
Das Konnexitätsgebot für eine maximale Unterstützung und vollständige Förderung (100%) des Landes würde aber nur greifen, wenn die Schulträger durch eine landesrechtliche Regelung zur Wahrnehmung einer neuen Aufgabe verpflichtet worden wären. Mithin kann kein Anknüpfungspunkt für eine verpflichtende maximale Unterstützung und vollständige Förderung (100%) des Landes erkannt werden. 
Ganztagsschulen gehören schon seit vielen Jahren zum festen Bestandteil der schleswig-holsteinischen Schullandschaft. Die Anzahl der offenen Ganztagsschulen hat sich von 2004 bis heute mehr als verfünffacht. Bereits an rund 97 % der öffentlichen Grundschulen wird aktuell ein schulisches Ganztags- und Betreuungsangebot vorgehalten. Vor eben diesem Hintergrund des erheblichen Ausbaus des unterrichtsergänzenden schulischen Ganztags- und Betreuungsangebots, den die Schulträger gemeinsam mit den Schulen insbesondere an den Grundschulen in den letzten Jahren vorangetrieben haben, ist es politisch gewollt, dass die in § 24 SGB VIII vorgesehene Erfüllungswirkung in Schleswig-Holstein überall gelebte Praxis wird und der Rechtsanspruch auf Ganztagsförderung gerade durch den schulischen Bereich erfüllt wird. Damit dies gelingt, beteiligt sich das Land signifikant an den Investitions- und Betriebskosten. 
85% der Investitionskosten und 75% der Betriebskosten erachte ich als durchaus signifikanten Förderbeitrag des Landes. Auf eben diese Förderquoten haben sich auch die kommunalen Landesverbände (Städteverband, Gemeindetag und Landkreistag) mit der Landesregierung im September 2023 vereinbart. Schleswig-Holstein leistet im Vergleich zu anderen Bundesländern in Bezug auf den Rechtsanspruch damit einen überdurchschnittlichen finanziellen Beitrag. Ich sehe keinen Anlass, auf eine Änderung dieser Vereinbarung mit den kommunalen Landesverbänden zu drängen.

II. Investitionsprogramm Ganztagsausbau
Zum 31.03.2025 beträgt das landesweite Antragsvolumen knapp 418 Mio. €, wovon 373 Mio. € Antragsvolumina vollständig vorliegen und 168 Mio. € bereits bewilligt sind. Gemäß Vereinbarung mit den Kommunalen Landesverbänden (Städteverband, Gemeindetag und Landkreistag) stehen dafür zunächst bis zu 196 Mio. € (inkl. Bundesmittel) zur Verfügung. Das Land trägt davon bis zu 92,6 Mio. € und mit über 52 Mio. € mehr als für den reinen Ko-Finanzierungsanteil der Bundesmittel notwendig wäre. Schleswig-Holstein leistet damit weit mehr als andere Bundesländer, die sich zum Teil gar nicht oder lediglich zur Hälfte am Ko-Finanzierungsanteil beteiligen. Dennoch verbleibt ein Finanzierungsdelta von bislang rd. 222 Mio. €, welches es noch zu schließen gilt.
Ich werde mich dafür einsetzen, dass weitere Finanzmittel bereitgestellt werden, um auch den weiteren Schulträgern, die noch keinen Förderbescheid erhalten haben, eine Investitionsförderung zu ermöglichen.
Dabei hoffe ich auch auf Unterstützung seitens des Bundes, der mit dem Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz - GaFöG) die stufenweise Einführung des bundesweiten Ganztagsanspruchs ab dem Schuljahr 2026/27 geregelt hat. Das avisierte Investitionspaket der neuen, noch nicht im Amt befindlichen Bundesregierung wird dazu hoffentlich hilfreich sein. Bitte haben Sie Verständnis, wenn sich die Landesregierung zunächst Klarheit über das avisierte Bundes-Investitionsprogramm verschaffen muss, um ggf. ein Schulbauförderprogramm prüfen zu können. 
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass das Land 85 % der Investitionskosten für neu zu schaffende oder zu erhaltene rechtsanspruchserfüllende Ganztagsplätze für investive Maßnahmen rückwirkend ab 12.10.2021 übernimmt. Dabei gibt es landesseitig keinen Kostendeckel pro Ganztagsplatz, was von Seiten des Bundes bei Finanzbedarfsrechnung 2021 jedoch vorgesehen war. 
Bei der Mittelbewilligung wird gemäß Förderprogramm wie folgt verfahren:
Priorisiert werden die in 2024 gestellten Anträge, deren Landesmittel ausschließlich in den Jahren 2024 und 2025 in Anspruch genommen werden. Aufgrund des Urteils des BVerfG vom 15.11.2023 ist das MBWFK gehalten, einen möglichst hohen Mittelabfluss im Jahr 2024 auch mit Blick auf das Jahr 2025 sicherzustellen. Hierbei wurde der Fokus zunächst auf die Anträge gerichtet, die zu einem Mittelabfluss in 2024 führten. Anschließend bescheidet die IB.SH die priorisierten vollständigen Anträge, die ausschließlich für 2025 gestellt wurden.
Alle anderen Anträge unterliegen nicht dem Priorisierungsverfahren und werden in der Reihenfolge des Eingangs beschieden. Dabei bedauere ich und habe kritisiert, dass das Antragsverfahren nur problematisch in Papierform und nicht digital möglich war. Nach meinen Informationen bestand die Sorge, dass der IT-Server der IB.SH keine ausreichende Kapazität haben könnte und man wollte offenbar eine Serverüberlastung wie seinerzeit bei der Förderung von Balkonkraftwerken vermeiden. Dieses papiergebundene Antragsverfahren kann jedoch nicht den Ansprüchen an zukunftsträchtige digitale Verfahrensweisen genügen und darf sich auch bei anderen Antragsverfahren nicht wiederholen.

III. Ganztagsbetrieb
Mit einem pädagogischem Rahmenkonzept gibt das MBWFK den Schulen, Schulträgern und Kooperationspartnern Empfehlungen für einen klaren Qualitätsanspruch für den Ganztag, der Vor- und Nachmittag als pädagogische Einheit verzahnt. Mit dem Rahmenkonzept ist es der Landesregierung m.E. gelungen, die Kinder und die Qualität in den Mittelpunkt zu stellen und einen klaren Qualitätsanspruch für den Ganztag, der Vor- und Nachmittag als pädagogische Einheit verzahnt, zu formulieren. Zur Beantragung von Fördermitteln zum Ganztagsbetrieb soll jede Schule ein eigenes pädagogisches Rahmenkonzept vorlegen, welches von der Schulkonferenz beschlossen wird und alle Akteure mit einbindet.
Ich begrüße die Vereinbarung zwischen Land und Kommunalen Landesverbänden, dass nach Abzug der zu entrichtenden Elternbeiträge die Kosten im Verhältnis von 75 % zu 25 % geteilt werden und dass zur Vereinfachung die Abrechnung über eine Pro-Kopf-Pauschale erfolgt. Die Förderung setzt (entsprechend den Vorgaben des Bundes im GaFöG) voraus, dass das schulische Ganztags- und Betreuungsangebot 8 Stunden an allen Werktagen einschließlich der Möglichkeit zur Teilnahme am Ferienangebot im selben Umfang umfasst und die maximale Schließzeit 4 Wochen innerhalb der Ferien nicht überschritten wird.
Im Gegensatz zu anderen Bundesländern hat sich Schleswig-Holstein sehr frühzeitig zu einer solchen umfangreichen Betriebskostenübernahme entschieden und leistet in Bezug auf die Umsetzung des Rechtsanspruchs deutlich mehr als andere Bundesländer und bietet auch mit dem pädagogischen Rahmenkonzept maximale Unterstützung. Nach meiner Kenntnis gibt es in den anderen Bundesländern überhaupt noch keine weiteren Informationen oder konkreten Planungen zu Länder-Beteiligungen am Ganztagbetrieb. 
Ende März wurde nun der Entwurf der Richtlinie zur Genehmigung und Förderung von Offenen Ganztagsschulen sowie zur Einrichtung und Förderung von Betreuungsangeboten in der Primarstufe veröffentlicht. 
Die Richtlinie enthält Regelungen zu den landeseinheitlichen Elternbeiträgen mit Sozialstaffel und Geschwisterermäßigung. Der Schulträger kann monatliche Elternbeiträge in Höhe von bis zu 135 € erheben. Die Elternbeiträge werden durchgehend für das gesamte Jahr erhoben. Erhebt der Schulträger Elternbeiträge, sieht dieser auch Regelungen zur Gewährung von Ermäßigungen aus sozialen Gründen (Sozialstaffel) und zur Geschwisterermäßigung vor. Dem Schulträger steht es frei, geringere oder gar keine Elternbeiträge zu erheben. Die Höhe der Pro-Kopf-Pauschale ändert sich dadurch jedoch nicht. 
Die Förderrichtlinie beschreibt eine Förderkulisse mit unterschiedlichen Modellen und Pro-Kopf-Pauschalen, die sich an bestimmten Qualitätsmerkmalen orientieren. Hierzu gehören beispielsweise: 
- die Gruppengröße (15-22),
- der Fachkräfteanteil (0%-100%),
- die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern,
- Angebote zur Gesundheits- und Persönlichkeitsförderung, zur Stärkung der basalen Kompetenzen sowie zum freien Spiel und zur eigenständigen Freizeitgestaltung mit pädagogischer Begleitung,
- Bereitstellung zusätzlicher Gelder für Kinder mit Förderbedarf.
Ich finde es grundsätzlich begrüßenswert, dass die Förderrichtlinie des Ministeriums eine Förderkulisse mit unterschiedlichen Modellen und Pro-Kopf-Pauschalen beschreibt, die sich an bestimmten Qualitätsmerkmalen orientieren. Es gibt aber nach ersten Sichtungen auch bereits ernstzunehmende Kritikpunkte an dem Richtlinienentwurf. Beispielsweise könne noch über Gruppengrößen diskutiert werden. Insbesondere wird aber die Befristung des Modell 1 kritisiert; nach Ende des Schuljahres 2027/2028 wären demzufolge ausschließlich pädagogische Fachkräfte einzusetzen, nicht-pädagogisches Fachpersonal wäre dann nicht mehr zu beschäftigen.
Auch angesichts bisheriger Erfahrungen erkenne ich die qualitative Leistung all jener Betreuungskräfte deutlich an, die sich über viele Jahre in der Betreuung und Förderung von Grundschulkindern höchst erfolgreich eingebracht haben. Darüber hinaus wird es auch angesichts pädagogischen Fachkräftemangels unerlässlich sein, nicht auf die bisherigen Betreuungskräfte verzichten zu können und weitere nicht-pädagogische Betreuungskräfte einzusetzen.
Insofern werde ich mich dafür einsetzen, das Model 1 im Richtlinienentwurf zu entfristen, also das Modell 1 unbefristet anwenden zu können. Nicht-pädagogische Betreuungskräfte sollen dauerhaft beschäftigt werden können. Ich werde versuchen darauf hinzuwirken, dass der Entwurf der Richtlinie Ganztag und Betreuung entsprechend überarbeitet wird und ich werde mich für den dauerhaften Erhalt einer OGS nach dem Modell 1 einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Jepsen